History für Eilige | 4. Auflage im Januar 2021
History für Eilige | 4. Auflage im Januar 2021
Vorwort
Die Feststellung, dass die Vergangenheit nicht vergehen will, löste 1986 den Historikerstreit aus, bei dem es um die Deutung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen ging. Auch heute erleben wir die Wiederkehr unserer jüngsten Vergangenheit durch rechtsextreme Gewalt, Anschläge auf Synagogen oder antisemitische Pöbeleien auf offener Straße. Entsetzt fragen sich viele Menschen, woher Rassismus und Antisemitismus kommen. Angriffe auf Flüchtlingsheime oder ausländerfeindliche Parolen skandierende Demonstranten lösen Fragen nach unserem Verhältnis zu Afrika und seinen Bewohnern aus. All das geschieht in Deutschland, obwohl die Deutschen wie kaum ein anderes Land in Europa die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte auf die Agenda ihrer Bildungseinrichtungen gesetzt hat.
Heute besuchen so viele junge Menschen eine Universität wie noch nie zuvor. Sie sind ein Beleg dafür, dass Europa seit dem Ende des 12. Jahrhunderts ein Kontinent des Studierens und Wissens ist. Einst legte das den Grundstein für die große Prägekraft, die Europa auf dem eigenen Kontinent, aber auch in weiten Teilen der Welt hatte. Diese Hegemonie brachte große Taten und schwere Verbrechen hervor. Europäische Intellektuelle und Wissenschaftler haben durch bahnbrechende Entdeckungen den Lauf der Dinge verändert und dadurch eine Kultur geschaffen, die in ihrer Vielfalt kaum zu übertreffen ist. Aber in der langen gemeinsamen Geschichte der europäischen Völker sind auch jede Menge Verbrechen geschehen, die unseren Alltag am Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch beeinflussen. Polen reagiert mitunter allergisch auf politische Äußerungen aus Moskau oder Berlin, weil sie in den vergangenen rund 250 Jahren mehrfach von diesen beiden Ländern besetzt und drangsaliert worden sind. Die Politik Russlands wiederum ist kaum nachvollziehbar, wenn man nicht das Ende des Kalten Krieges 1991 und den von vielen Russen als Schmach empfundenen Untergang der Sowjetunion denkt.
„Eine Stunde History“ ist ein Podcast-Format von Deutschlandfunk Nova, das seit mehr als vier Jahren historische Ereignisse und Personen behandelt, die bis in unsere Tage Wirkung zeigen. Damit wird Geschichte als Vorläufer der Gegenwart in die Lebenswelt der Menschen von heute geholt. Aktuelle Fragen lassen sich natürlich nicht allein mit einem Verweis auf die Geschichte lösen. Aber die Kenntnis von historischen Zusammenhängen und Entwicklungen kann Verständnis wecken für politische Entscheidungen, die heute gefällt werden. Dabei geht es nicht um das Auswendiglernen von Daten, sondern um die Erkenntnis, dass Geschichte die Tagespolitik der Vergangenheit war und Politik die Geschichte von Morgen sein wird.
Deshalb steht neben der Geschichte auch das zivilgesellschaftliche Engagement im Vordergrund. Denn wenn unsere Politik durch die Geschichte unserer Vorfahren geprägt ist, dann wird die Politik der kommenden Generationen durch unser heutiges Handeln bestimmt sein. Also wird die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte mit dem Aufruf verbunden, sich für die Politik von heute zu interessieren und sie aktiv mit zu gestalten. Wie im Straßenverkehr der Blick in den Rückspiegel zeigt, ob man rechts oder links fahren kann, stellt die Beschäftigung mit Geschichte eine Vergewisserung für den Weg unserer modernen Gesellschaft dar. Wir sollten uns der Vergangenheit sicher sein, damit wir einen guten Weg in die Zukunft finden können.
Die Podcasts von „Eine Stunde History“ basieren auf dieser Idee. In jeder Sendung wird deshalb der Zusammenhang hergestellt zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Genauso in diesem Buch. 90 ausgewählte Sendungen, die sich alle mit Themen der europäischen Geschichte befassen, werde in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung kurz beschrieben, ein QR-Code ist auf den jeweiligen Podcast verlinkt. Dabei geht es in erster Linie um die Bedeutung für unser heutiges Leben: Gibt es historische Gründe für die katastrophale Lage Afrikas, woher kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, wie ist die Idee einer Volksbefragung entstanden, warum hat Europa so viele Universitäten und warum hat sich der bis zum Genozid gesteigerte Judenhass in Europa 2000 Jahre gehalten?