Bündische Jugend und Hitlerjugend
Bündische Jugend und Hitlerjugend
Aus der Beschäftigung mit den Edelweißpiraten und anderen widerständigen Jugendgruppen im Dritten Reich folgte die Suche nach den Wurzeln dieser Jugendkultur, die sich sowohl in den bündischen Gruppen außerhalb der Hitlerjugend als auch innerhalb der braunen Staatsjugend finden ließen. Es wurde eine Geschichte über Anpassung und Widerstand zwischen 1930 und 1939. Der zeitliche Rahmen umfasste den Beginn des Niedergangs der Weimarer Republik bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Beides waren wichtige Ereignisse für die Geschichte der Bündischen Jugend und für das Verständnis ihres sehr mannigfaltigen Auftretens. Am Ende der Weimarer Republik gründete sich die „deutsche jungenschaft vom 1.11“. Leitfigur und Ideengeber war Eberhard Köbel, genannt „Tusk“ – der Deutsche. Die dj 1.11 prägte weite Teile der Jugendbewegung am Beginn der 30er Jahre durch neue Lieder, einen eigenen Stil, ein besonderes Verhältnis der Mitglieder des Bundes untereinander und durch spektakuläre und abenteuerliche Unternehmungen.
Legendär wurde die einem Zelt der Lappen nachempfundene Kohte, in deren Mitte ein Feuer entzündet werden konnte. Mit dem Fahrrad nach Finnland, ausgedehnte Wanderungen in der näheren und weiteren Umgebung und viele Lieder, die teilweise den russischen Kosakenliedern nachempfunden waren, prägten den Habitus von dj 1.11, der durch Selbstdisziplin und einer Auseinandersetzung mit asiatischer Philosophie und Lebensweise ergänzt wurde. Die Ausläufer dieser im Zuge der NS-Gleichschaltungspolitik zur Illegalität gezwungenen Jugendkultur fanden sich bis in höchste Stellen der HJ- Reichsjugendführung wieder. 1933 hatte es bisweilen den Anschein, als wollten die Führer der dj 1.11 die Hitlerjugend geradezu übernehmen. Das Unternehmen scheiterte aber am absoluten Führungsanspruch der NS-Partei- und Staatsführung und brachte viele Mitglieder und Anhänger der dj 1.11 in eine missliche Lage. Wollten sie weiterhin ihren Bund, der für viele ein Lebensbund war, aufrechterhalten, mussten sie in zunehmendem Maße mit Repressalien rechnen. Angesichts dieser Alternative passten sich viele den neuen Gegebenheiten an und tauchten klaglos in die große Masse der Braunhemden in der HJ ein.
Andere hielten „ihren Laden“ am Leben und riskierten dafür massive Nachteile bis hin zu langjährigen Haftstrafen. Der NS-Staat bekam das Problem mit den Bündischen nie so ganz in den Griff, immer wieder gab es handfeste Auseinandersetzungen zwischen ihnen und der HJ, die sich mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verschlimmerten. Das ist zweite zeitliche Wegmarke, denn nach 1939 konnte der Staat missliebig gewordene junge Männer an die Front schicken – und er tat das auch. Aber selbst dort blieben die Jungenschaftler ihrer Überzeugung treu: Hans Scholl und Willi Graf, 1943 als Mitglieder der „Weißen Rose“ hingerichtet; Harro Schulze-Boysen als Begründer und Mitglied der „Roten Kapelle“ 1942 hingerichtet; Heinrich Graaf von Einsiedel 1943 in sowjetischer Gefangenschaft Organisator des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ oder Michael Jovy 1941 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ vom Volksgerichtshof zu sechs Jahren Haft verurteilt, später deutscher Botschafter in Bukarest. So zerrissen die Bündische Jugend im Angesicht des Nationalsozialismus am Ende der Weimarer Republik, die in ihren Augen versagt hatte, war, so widersprüchlich war ihr Verhalten nach der Machtübertragung an Adolf Hitler und die NSDAP. Die einen gaben sich der Hoffnung hin, unter nationalsozialistischer Flagge weitermachen zu können wie bisher. Viele, die so dachten, gingen mit dieser Überzeugung voller Hoffnung in die Staatsjugend hinein. Der andere Teil stellte sich von Anfang an quer und wurde dann durch die immer massiver und bedrohlicher werdende staatliche Unterdrückungsmaßnahmen erst in die innere Emigration und dann in die Situation getrieben, sich und ihre Gruppe verteidigen zu müssen. Hätte der Staat diesen Druck nicht ausgeübt und akzeptiert, dass ein verschwindend kleiner Teil der deutschen Jugend außerhalb von „Hitler-Jugend“ und „Bund deutscher Mädel“ stand, wäre es weder zu wilden Prügeleien noch zu Haft- und Todestrafen gekommen.