History für Eilige 2
History für Eilige 2
Der „erste“ Weltkrieg – 1756 - 1763
- Wie der „Siebenjährige Krieg“ an vielen Stellen der Welt stattfand –
Heute lernen wir in der Schule: Der Erste Weltkrieg fand von 1914 bis 1918 statt und der Zweite Weltkrieg folgte 1939 und dauerte bis 1945. Beide Kriege wurden an vielen Orten und auf unterschiedlichen Kontinenten ausgetragen, deswegen ist die Bezeichnung „Welt“-Krieg richtig. Aber waren die beiden Kriege des 20. Jahrhunderts tatsächlich Nr. 1 und Nr. 2 oder gab es schon früher weltumspannende militärische Auseinandersetzungen, die man aus als Weltkriege bezeichnen könnte?
Ja, den gab es, sagt der Militärhistoriker Klaus-Jürgen Bremm und meint damit den „Siebenjährigen Krieg“, der in Deutschland auch „Dritter Schlesischer Krieg“ heißt, weil Preußen und Österreich wegen der Hoheit über Schlesien zum dritten Mal in Konflikt geraten sind. Aber dieser Krieg zwischen den beiden deutschen Großmächten um Schlesien hat auch in Nordamerika, in Indien und auf den Philippinen stattgefunden. Der globale Konflikt wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht wegen des Streits um Schlesien, sondern um die koloniale Vorherrschaft in der Welt zwischen Frankreich und England geführt. Beide europäischen Kolonialmächte engagieren sich auch in Schlesien: England auf Seiten Preußens, Frankreich an der Seite der österreichischen Habsburgermonarchie. Der eigentliche Konflikt aber findet in Nordamerika statt.
Dort hatte Großbritannien Kolonien erobert, die von Georgia im Süden, über Virginia und die beiden Carolinas nach Massachusetts, und Maine im Norden eine fast zusammenhängendes Stück Land bildeten. Die französischen Besitzungen reichten von Louisiana am Golf von Mexico über Mississippi, Arkansas und Missouri bis nach Kanada und Illinois im Süden der Hudson Bay. Damit schlossen sie den Briten den Weg nach Westen ab, was „in Amerika die Dimension eines Weltkrieges“ annehmen konnte, der „auf Europa übergreifen konnte“ – so hat es der Dresdner Historiker Johannes Burkhardt beschrieben. Tatsächlich breitete sich der koloniale Konflikt in Nordamerika zu einem globalen Konflikt zwischen den europäischen Großmächten England und Frankreich aus, der in Amerika, in Schlesien, auf den Philippinen und in Indien ausgetragen wurde.
Während sich in Europa Preußen und Österreich schon zum dritten Mal in einem Krieg um Schlesien stritten, wollte England im „French and Indian War“ die Phalanx der französischen Kolonien aufbrechen, die ihnen den Weg nach Westen versperrten, wo die Engländer weitere Kolonien erwerben wollten. Um sich gegenseitig zu schwächen und den Gegner im Kampf um die größte Kolonialmacht an möglichst vielen Stellen zu treffen, engagierten sich Frankreich und England auch im Schlesischen Krieg, an dessen Ausgang sie lediglich mittelbares Interesse hatten. Frankreich wollte die Kontrolle über die österreichischen Niederlande – heute Belgien und Luxemburg - falls Österreich Schlesien erobern würde und hoffte bei entsprechendem Kriegsausgang darauf, Gibraltar, Menorca und einigen britischen Kanalinseln erwerben zu können. Großbritannien hingegen wollte die endgültige
Verdrängung des kolonialen Konkurrenten Frankreich. Besonders der französische Griff nach den österreichischen Niederlanden störte die Briten, da sie jede strategische Veränderung an dem England gegenüberliegenden europäischen Küstenstreifen mit Argwohn beobachteten.
Somit rückte der Streit um Schlesien, den der preußische König Friedrich II. und seine österreichische Gegenspielerin Erzherzogin Maria Theresia über Jahrzehnte ausfochten in eine weltweite Auseinandersetzung geraten, die auch den indischen Subkontinent nicht verschont hat. Im Dritten Karnatischen Krieg, benannt nach der indischen Region, in der die meisten Kämpfe stattfanden, standen sich – ebenfalls von 1756 bis 1763 - wieder die beiden Kolonialmächte England und Frankreich gegenüber. Sie stritten um den kolonialen Besitz eines gesamten Subkontinents mit positivem Ende für Großbritannien, das Frankreich und andere Kolonialmächte vertrieb und Indien in Besitz nahm. Rund 100 Jahre später wurde aus Indien eine britische Kronkolonie mit der britischen Königin als Kaiserin von Indien an der Spitze.
In Nordamerika mussten die Franzosen ebenfalls eine Niederlage einstecken, sie mussten ihre Kolonien in Nordamerika aufgeben. Der große Sieger war Großbritannien, das nicht nur französische Besitzungen übernehmen konnte, sondern auch noch Florida von Spanien bekam. Um die spanische Kolonialmacht zu schwächen, waren britische Seestreitkräfte auf den Philippinen eingefallen und hatten dort die spanische Oberhoheit entscheidend geschwächt. Aber geschwächt waren am Ende dieses „Ersten Weltkriegs“ alle Beteiligten und ihre klammen Staatsfinanzen sollten ihre Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen.
Zehn Jahre nach dem Ende des Krieges musste die britische Regierung die Steuern zum Beispiel auf Tee erhöhen, provozierte damit den Unmut der britischen Kolonisten in Nordamerika, die auf der Boston Tea Party im Dezember 1773 ihrem Unmut Luft verschafften. Der Aufstand von Boston löste 2 Jahre später den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aus, an dessen Ende Großbritannien seine gerade erst erworbenen Kolonien in Nordamerika wieder loswurde. Nicht weniger dramatisch waren die Ereignisse in Frankreich. König Ludwig XVI. musste die Generalstände einberufen. Der weltweite Krieg gegen England und die Unterstützung der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung hatten die Finanzen Frankreichs derart belastet, dass ein Staatsbankrott drohte. Aber die Delegierten der Generalstände aus Adel, Bürgertum und Klerus verwandelten das Gremium in eine Verfassungsgebende Nationalversammlung, lösten die Französische Revolution aus und beendeten die Monarchie in Frankeich. Damit hatte keiner der Kombattanten etwas von dem globalen Krieg um die Kolonien, der zwischen 1756 und 1763 in Europa, Nordamerika, auf den Philippinen und in Indien ausgetragen worden ist.
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Literatur:
Burkhardt, Johannes: Abschied vom Religionskrieg. Der Siebenjährige Krieg und die päpstliche Diplomatie. Tübingen 1985
Willms, Johannes: Tugend und Terror. Geschichte der Französischen Revolution. München 2014
Hochgeschwender, Michael: Die Amerikanische Revolution: Geburt einer Nation 1763–1815. München 2016
Füssel, Marian: Der Preis des Ruhms. Eine Weltgeschichte des Siebenjährigen Krieges. München 2019